Die Rollbahn by Heinz G. Konsalik

Die Rollbahn by Heinz G. Konsalik

Autor:Heinz G. Konsalik [Konsalik, Heinz G.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-29T04:00:00+00:00


Igor Pjetonnek Graschin war Leutnant der 2. weißrussischen Front und abkommandiert worden, die Partisanen an der Rollbahn militärisch zu organisieren. Ihm zur Seite stand der Unteroffizier Fedja Poltansky, ein kleiner Kalmücke mit krummen Reiterbeinen und einem langen, abwärtshängenden Schnurrbart.

Sie hatten ihre Aufgabe sehr ernst genommen. Als sie vor einigen Wochen als alte Bauern durch die deutschen Linien sickerten und in den einsamen Walddörfern die Partisanen aufgesucht hatten, fanden sie einige wilde Haufen, die wahllos herumzogen, hier und da Brücken oder Geleise sprengten, an der Rollbahn Minen legten, aber sonst zu keinen ernsthaften Unternehmungen die Mittel noch die Lust besaßen.

Das hatte sich geändert, als Igor und Fedja auftauchten. Sie hatten zunächst militärische Disziplin eingeführt, Gehorsam, Bestrafungen und ein für die Bauern und vor allem die Frauen sinnloses Exerzieren mit neuen Waffen, die nachts von einsamen Aufklärern an Fallschirmen abgeworfen wurden.

Innerhalb zwei Monaten hatte Leutnant Graschin so eine Truppe geschaffen, die zwar noch immer wild aussah, die aber ihre Terrorakte wohl durchdacht ausführte und im Rücken der deutschen Truppen spürbare Unordnung schaffte. Vor allem der Nachschub geriet ein wenig durcheinander, da allenthalben an der Rollbahn, auf der Bahnstrecke, auf den Waldstraßen Transporte in die Luft flogen oder deutsche Ersatzkompanien mit jungen Burschen, die kaum ausgebildet waren, aus dem Hinterhalt beschossen und manchmal auch ganz aufgerieben wurden.

Jetzt, nach dem Zusammenbruch der deutschen Mittelfront, waren sie zu Jägern geworden. Sie lauerten in den Dickichten auf zurückgehende, versprengte deutsche Kolonnen, und erbarmungslos schossen sie diese ab, schlichen die Lager an, überfielen sie und mordeten sie mit einem Haß, wie nur ein Asiate ihn besitzen kann.

Fedja Poltansky saß in der Sonne vor einer kleinen Reisighütte und putzte seine Maschinenpistole, als Leutnant Igor Pjetonnek Graschin von einem Postenkontrollgang zurückkam.

»Ein stiller Tag, Genosse Leutnant«, sagte Fedja. Er setzte das Schloß wieder zusammen und wunderte sich ein um das andere Mal, daß dieses wackelige Ding überhaupt schoß und Patronen transportieren konnte.

Igor setzte sich neben Fedja und drehte sich eine Papyrossi.

»Die Deutschen räumen Orscha.«

»Woher weißt du?«

»Funkspruch von Genosse General Jamsjonny. Wir bleiben noch drei Tage und müssen dann zur Truppe zurück. Unsere Aufgabe ist erfüllt.«

»Nawoß!« sagte Fedja laut. (Mist.) »Und die Deutschen, die noch in den Wäldern sind?«

»Die werden eines Tages verhungern oder – wenn sie aus dem Wald herauskommen – einzeln wie streunende Hunde erschlagen werden. Sie werden nie mehr zurückkommen.«

Fedja stellte seine Maschinenpistole zur Seite an die Wand der Hütte und blickte hinüber zum Waldrand. Zwei der ausgestellten Posten kamen ins Dorf zurück und führten in ihrer Mitte ein Mädchen.

»Sieh mal, was da kommt, Genosse«, sagte Fedja verblüfft.

Igor fuhr herum. »Ein Mädchen!«

»Nicht aus unserer Gegend. Ich kenne sie alle.«

Leutnant Graschin erhob sich und ging der kleinen Gruppe entgegen. Er war ein großer, schlanker Mann in der erdbraunen Uniform der Rotarmisten. Zwei Ordensbänder zierten seine Brust. Vor dem Mädchen blieb er ruckartig stehen und lächelte schwach, als die beiden Bauern stramme Haltung annahmen und meldeten:

»Genosse Leutnant! Haben sie im Wald gefangen. Sie umschlich das Dorf. Hat gekratzt und gebissen, das Aas.«

Igor betrachtete das Mädchen. Es hatte den Kopf gesenkt und blickte zu Boden.



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